Nordrhein-Westfalen nimmt beim Thema PFAS eine bundes- und europaweite Vorreiterrolle ein. Seit dem ersten großen Umweltskandal 2005/2006 im Sauerland hat das Landesamt für Natur, Umwelt und Klima (LANUK) konsequent daran gearbeitet, PFAS-Belastungen systematisch zu erfassen und zu bewerten. Die intensive und flächendeckende Messstrategie ist der Schlüssel: Je mehr und gezielter gemessen wird, desto mehr kann auch gefunden und verstanden werden – das bedeutet jedoch nicht, dass NRW stärker belastet ist als andere Regionen, sondern dass durch das sehr dichte Messnetz und die analytische Expertise mehr Wissen aufgebaut wurde.
„Die Entdeckung der PFAS-Belastung in Brilon-Scharfenberg war der Startpunkt für ein integriertes, medienübergreifendes Überwachungsprogramm der Gewässerqualität.“ betonte LANUK-Präsidentin Elke Reichert heute (Freitag, 27. Juni 2025) auf der Jahrespressekonferenz ihrer Behörde in Duisburg. „Die Konsequenzen von PFAS für Mensch und Umwelt waren bis dahin nicht bekannt. Dass wir heute die Risiken dieser Stoffgruppe bewerten können, ist das Ergebnis jahrzehntelanger analytischer, wissenschaftlicher und regulatorischer Pionierarbeit.“
Bis heute wurden in NRW an über 500 verschiedenen Messpunkten PFAS-Proben genommen. Die Messstellen liegen in 360 berichtspflichtigen Gewässerabschnitten, die sich wiederum auf mehr als 230 Gewässer im Land NRW verteilen. Im Rahmen des Monitorings zur Wasserrahmenrichtlinie werden an 46 Überblicksmessstellen bis zu 13 mal pro Jahr Wasserproben genommen. Alle weiteren Messstellen werden in einem dreijährigen Turnus beprobt.
Hinzu kommen Grundwassermessungen und Probenahmen aus den Abläufen von Kläranlagen. Die Zahl der jährlichen Einzelanalysen in den LANUK-Laboren auf PFAS-Substanzen in den verschiedenen Wassermedien ist seit Beginn der Untersuchungen stetig angestiegen. Zuletzt waren es im Jahr 2024 fast 20.000.
„Insgesamt sehen wir eine sinkende Belastung unserer Gewässer mit einzelnen PFAS-Verbindungen“, erklärte Dr. Friederike Vietoris, Leiterin der Abteilung Wasserwirtschaft und Gewässerschutz im LANUK. „Allerdings werden wir durch mehr Messungen an immer mehr Stellen und Auswertungen immer mehr Stoffen finden. Die Zahl der PFAS-Fundstellen in NRW nimmt daher tendenziell immer weiter zu. Dies ist nicht zu verwechseln mit einer überdurchschnittlichen Belastung, die ist nicht höher als in anderen Teilen Deutschlands. Sie ist das Ergebnis unserer konsequenten und flächendeckenden Messstrategie.“
An der Ruhr konnte beispielsweise die Belastung seit dem Jahr 2006 stetig gesenkt werden. Aktuell werden hier an den Messstationen Fröndenberg und Mülheim Kahlenberg bei der PFAS-Verbindung „PFOS“ noch ein durchschnittlicher Jahreswert von etwa 3 Nanogramm pro Liter (ng/L) gemessen. Der Ausgangswert lag in den Jahren 2006 und 2007 zwischen 20 und 30 ng/L. Die in NRW angestrebte Umweltqualitätsnorm von 0,65 ng/L wird allerdings hier noch nicht erreicht. Eine vergleichbare Situation zeigt sich in NRW am Rhein. Am Eingang des Rheins nach NRW in Bad Honnef und am Ausgang in Kleve Bimmen werden aktuell im Jahresschnitt 2,5 ng/L PFOS gemessen.
Fürs Trinkwasser gilt ab dem 12. Januar 2026 erstmals ein bundesweit verbindlicher Grenzwert: Für die Summe von 20 PFAS-Verbindungen sind dann 100 ng/L erlaubt. Der 20er Summenwert wurde im Jahr 2023 an 643 Proben überprüft. Überschreitungen dieses zukünftigen Grenzwertes wurden dabei nicht festgestellt.
„Unser Ziel ist – auch aus Vorsorgegesichtspunkten - bereits in den Trinkwasserressourcen, also im Grund-und im Oberflächenwasser die Belastung stark zu reduzieren.“, betonte Dr. Vietoris. „Es ist zu erwarten, dass neben den Grenzwerten fürs Trinkwasser weitere verbindliche Umweltqualitätsnorm für Oberflächengewässer und für das Grundwasser eingeführt wird. Die intensive Messstrategie des LANUK verschafft uns hier einen Vorsprung – wir können schon jetzt abschätzen, wo Handlungsbedarf besteht und gezielt Maßnahmen einzuleiten sind, um die neuen Anforderungen der EU in der gesamten Wasserphase einzuhalten.“
„Wir wissen heute, dass PFAS in der Umwelt ubiquitär vorkommen“, so das Fazit von LANUK-Präsidentin Elke Reichert. „Dennoch sind wir hier in NRW durch unsere konsequente Messstrategie, die Entwicklung neuer Analyseverfahren und die enge Zusammenarbeit mit Wissenschaft, Behörden und Ministerien bestens aufgestellt. Wir als LANUK werden damit unseren Teil dazu beitragen, die Anforderungen an den Schutz von Mensch und Umwelt bestmöglich zu erfüllen.“
Rückschau 20 Jahre PFAS in NRW
Nach den ersten auffälligen Werten im Rhein im Jahr 2005, konnte die Quelle der Belastung bis in die Ruhr in der Gemeinde Brilon-Scharfenberg im Hochsauerlandkreis zurückverfolgt werden. Im Jahr 2006 startete das LANUK ein umfassendes Monitoring- und Untersuchungsprogramm, das bis heute kontinuierlich weiterentwickelt wird. Ziel war es von Anfang an, die Verbreitung, Quellen und Ausbreitungswege von PFAS systematisch zu erfassen und zu bewerten. Bereits 2007 wurden erste Analyseverfahren für zehn PFAS-Substanzen entwickelt – heute können rund 50 Einzelsubstanzen differenziert nachgewiesen werden.
Damit wurden aus NRW heraus die wissenschaftlichen Grundlagen für Grenzwerte und effektive Maßnahmen entwickelt – nicht nur für NRW, sondern für ganz Deutschland und in der EU. Das LANUK-Gewässer- und Abwassermonitoring bildet somit die Grundlage für Maßnahmen zur Reduzierung von PFAS-Einträgen in die Umwelt. Dazu gehört beispielsweise die Behandlung von Abwasser mit Aktivkohle, das Verbot der Klärschlammausbringung und die Sanierung von Altlasten. Auch spezielle Fragestellungen, wie die Untersuchung von Löschwasser nach Brandereignissen, wurden und werden bearbeitet.
Meilensteine aus NRW – Von der ersten Messung zur europäischen Regulierung:
2006–2008:
- Einleitung umfassender Maßnahmen zur Ursachenermittlung und Reduzierung der PFAS-Belastung vom damaligen Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes NRW in Zusammenarbeit mit dem LANUV (heute LANUK), der Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr (AWWR), dem Ruhrverband und der Bezirksregierung Arnsberg, u.a.
- Ermittlung der Aufbringungsflächen mit belastetem Klärschlamm.
- Entwicklung von Sanierungs- und Vermeidungsmaßnahmen. Überwachung kommunaler Kläranlagen.
- Erste Methoden zur Messung von PFOA und PFOS; Anwendung nationaler Vorsorgewerte für Wasser, Boden und Klärschlamm mangels internationaler Vorgaben.
Ab 2007:
- Beteiligung an der Normung analytischer Verfahren, Untersuchung von Löschschaum, Entsorgungswegen und Umweltverteilung.
Ab 2010:
- Integration von PFAS in europäische Stoffregulierung (REACH, POP-Verordnung); weitere Stoffe folgen.
- Ausweitung der Messungen auf alle Kläranlagen in NRW und sensible Gewässer.
Seit 2015:
- Erweiterung des Analytik-Portfolios auf inzwischen ca. 50 Einzelsubstanzen; Entwicklung ganzheitlicher Summenparameter (AOF, TOPA).
Heute:
- Mehr als 10.000 PFAS-Komponenten weltweit bekannt
- Einführung neuer EU-Grenzwerte im Trinkwasser ab 2026: 100 ng/L für PFAS-20
Seit 2006 untersucht das LANUK:
- Oberflächenwasser, Grundwasser, Abwasser
- Klärschlamm, Löschwasser, Fisch- und Lebensmittelproben
- Böden und landwirtschaftliche Produkte
- Blut- und Muttermilchproben im Rahmen epidemiologischer Studien
Daten zum PFAS Gewässer- und Abwassermonitoring:
Oberflächengewässer
- Seit 2006 wurde an 504 Messstellen in NRW auf die Indikatorsubstanz „PFOS“ untersucht. Diese 504 Messstellen liegen in 360 berichtspflichtigen Gewässerabschnitten (OWK), die sich wiederum auf mehr als 230 Gewässer im Land NRW verteilen.
- Im Rahmen des Monitorings zur Wasserrahmenrichtlinie werden an 46 Überblicksmessstellen bis zu 13 mal pro Jahr Wasserproben genommen. An allen weiteren Messstellen werden in einem dreijährigen Turnus jeweils 4 Proben genommen.
- Des Weiteren werden Schwebstoffe auf PFAS untersucht da diese an partikulärem Material stark sorbieren. Im Zeitraum 2022-2024 wurden 200 Proben an 44 Messstellen untersucht.
Grundwasser
- Grundwasser wurde in NRW ab 2006 gezielt im Einflussbereich von Verdachtsflächen (Aufbringungsflächen PFAS-belasteter Abfälle, sonstige PFAS-Eintragsquellen) auf PFAS untersucht. Ab dem Jahr 2008 wurden die Untersuchungen auf alle Grundwasserkörper erweitert, aus denen Trinkwasser gewonnen wird, beginnend jeweils in solchen Gebieten, in denen sich mögliche PFAS-Eintragsquellen befinden konnten. Dazu gehören zum Beispiel Flughäfen, Deponien oder bereits bekannte Altlasten, vor allem solche auf denen Brandereignisse verzeichnet wurden. Eine Verpflichtung zur regelmäßigen Untersuchung der Grundwassermessstellen nach der EU-Wasserrahmenrichtlinie auf PFAS gibt es bisher noch nicht. Von den 1190 vorhandenen WRRL-Grundwassermessstellen des Landes wurden bislang 600 auf PFAS beprobt.
- Der aktuelle Zyklus zum Monitoring zur EU-Wasserrahmenrichtlinie hat in diesem Jahr begonnen und läuft bis zum Jahr 2030. Das Ziel ist, bis zum Ende des Zyklus alle WRRL-Grundwassermessstellen des Landes mindestens einmal auf PFAS untersucht zu haben. Daher werden ab diesem Jahr etwa 250 Grundwassermessstellen pro Jahr auf PFAS untersucht, um am Ende des Zyklus ein komplettes Bild zu erhalten.
Abwasser
- Im Abwasserbereich finden PFAS-Untersuchungen seit den Funden im Sauerland sowohl für Direkt- als auch für Indirekteinleitungen statt. NRW hat bereits 2006 Orientierungswerte für PFAS im Abwasser festgelegt, die kontinuierlich fortgeschrieben bzw. weiterentwickelt werden. Eine bundesweite Regelung existiert bisher nicht. Als Orientierungswerte wurden Konzentrationen und Frachten für die Summe 2 PFAS (PFOA+PFOS) in Höhe von 300 ng/L bzw. 10 g/Tag und für die Summe von weiteren 14 gemessenen PFAS in Höhe von 1000 ng/L bzw. 35 g/Tag festgelegt.
- Pro Jahr werden aktuell an rund 100 Messstellen mehr als 250 Proben gezogen und analysiert. Bei den relevanten kommunalen Abwassereinleitungen ist eine Abnahme der Konzentration der untersuchten PFAS mit wenigen Ausnahmen zu verzeichnen. Ähnliches gilt für die relevanten industriellen Direkteinleiter. Weitere Reduzierungsmaßnahmen können aufgrund der fehlenden gesetzlich verbindlichen Konzentrations- bzw. Frachtgrenzwerte nur im Dialog mit den Betreibern auf den Weg gebracht werden.
Was sind PFAS?
PFAS (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) umfassen mehrere Tausend synthetische Verbindungen. Sie wurden entwickelt, um extrem beständig zu sein – gegen Hitze, Wasser, Öl, Schmutz. Diese Eigenschaften machten sie attraktiv für viele industrielle und alltägliche Anwendungen: Feuerlöschmittel, Galvanik, Beschichtungen, Outdoor-Produkte oder Lebensmittelverpackungen. Doch genau diese „Unzerstörbarkeit“ macht PFAS in der Umwelt und im menschlichen Körper gefährlich: Sie bauen sich nicht ab, reichern sich an und gelten als toxisch – manche sogar krebserregend oder hormonell wirksam. Nach aktuellem Wissenstand besteht gibt es mehr als 10.000 unterschiedliche PFAS-Verbindungen.
Weitere Informationen sind zu finden beim LANUK unter
https://www.lanuk.nrw.de/themen/themenuebergreifende-aufgaben/gefahrstoffe/pfas
Ausführliche Antworten auf häufig gestellte Fragen sind zu finden beim Umweltbundesamt unter
https://www.umweltbundesamt.de/faq-0